Viele denken ja, dass beim Ordnungsamt für Ordnung gesorgt wird. Das kann man auch immer wieder genau so beobachten. Die entscheidende Frage ist, ob diese Ordnung immer sinnvoll oder gerechtfertigt ist.
„Zu verschenken“
Manche Menschen wollen ausrangierte Dinge nicht immer gleich wegwerfen und legen sie in einen Karton, den sie vor ihr Haus stellen. Ein Info-Zettel weist darauf hin, dass die Dinge „zu verschenken“ seien. Solange Dinge noch benutzbar sind und lediglich nicht mehr gebraucht werden, ist das eine nachhaltige Methode, Rohstoffe zu schonen und Energie zu sparen, weil weniger Produkte neu produziert werden müssen.
Meist haben die SpenderInnen ein Auge auf ihre ausrangierten Objekte und verfrachten innerhalb kurzer Zeit in die Mülltonne, was nicht mitgenommen wird. Manchmal geraten die Kramkisten in Unordnung. Nur selten werden sie über den Gehsteig verstreut – kommt aber zugegebener Weise vor. So kennen wir das alle, oder?
Findet das irgend jemand falsch?
Das Ordnungsamt findet dieses sehr soziale und nachhaltige Vorgehen offenbar unsinnig und geht gegen diese Verschenkaktionen vor. In der Rönnestraße wurde eine dort über viele Jahre unbeanstandete Bank für private Weitergabe von Kleidung und Haushaltsgegenständen geräumt.
Was genau hat die Gesellschaft von dieser Räumung und welcher Schaden entsteht durch das Verschenken?
Baumscheiben pflegen
Manche Menschen kümmern sich um die zwei Quadratmeter Erdboden, die sogenannten Baumscheiben, auf denen unsere Straßenbäume stehen. Sie entfernen Müll und gießen an heißen Tagen ein paar Liter Wasser, damit die wichtigen Bodenorganismen nicht sterben, die mit ihrer Tätigkeit nebenbei dafür sorgen, dass Regen überhaupt eindringen und versickern kann. Das Ordnungsamt dagegen gießt gar keine Straßenbäume, das Grünflächenamt nur frisch gepflanzte Bäume – ganze zwei Mal. Die Baumscheiben sind auf fürsorgliche Anwohnende angewiesen.
Die Straßenbäume spenden im Sommer Schatten, bremsen die Herbststürme, ziehen Staub aus der Luft und produzieren lebenswichtigen Sauerstoff. Damit sind sie für uns Menschen von hohem Wert. Deshalb werden sie von unseren Steuern angeschafft und mit Steuergeld gepflegt – aber leider von Idioten zu Tode gesalzen und von rücksichtslosen Investoren beim Einbuddeln ihrer Kabel um die lebenswichtigen Wurzeln gebracht.
Menschen, die sich um eine Baumscheibe in der Friedbergstraße kümmerten, hatten eine kleine Bank aufgestellt – vielleicht um den klitzekleinen Garten am Straßenrand mal genießen zu können; vielleicht aber auch, um Menschen mit wenig Kondition – zum Beispiel nach einem Herzinfarkt – eine Sitzgelegenheit zu bieten. Vorteile kann man erkennen – Nachteile nicht.
Findet das irgend jemand unsinnig?
Leider findet das Ordnungsamt dieses Engagement offenbar unsinnig und legt den freiwilligen UnterstützerInnen gerne Hürden in den Weg. In der Friedbergstraße musste eine Bank auf einer Baumscheibe verschwinden, weil diese nicht angemeldet sei.
Was genau hat die Gesellschaft von dieser Anmeldung und welcher Schaden entsteht ohne Anmeldung?
Sperrmüll muss weg
In der Weimarer Straße hatte jemand lediglich eine kleine, metallene Blumentreppe aufgestellt. Zugegebener Weise wurde diese nicht mehr bestückt, so dass man sie für Sperrmüll halten konnte. Dann ist natürlich nichts dagegen zu sagen, wenn Sperrmüll abgeholt werden muss.
Es ist also nicht so, dass die „Sicherstellungen“ des Ordnungsamtes immer sinnlos wären. Die Frage ist jedoch, ob die Verhältnismäßigkeit nicht unnötig oft verfehlt wird. Denn ein viel wichtigeres Problem auf der To-do-Liste des Ordnungsamtes findet leider fast gar keine Anwendung: die Sorge um die allgemeine öffentliche Ordnung. Kisten mit zu verschenkenden Haushaltswaren oder falsch gepflegte Baumscheiben gehören nämlich nicht zu den allgemeinen Problemen; dafür sind sie einfach zu selten.
Das Problem ist ein anderes: Autos
Was dagegen möglicherweise das zahlenmäßig größte Problem ist, sind die Falschparker; im obigen Zusammenhang die Baumscheiben-Falschparker, die faktisch nie verfolgt werden. Im Gegensatz zu Büchern und Babykleidung oder einer nicht angemeldeten Bank richten die Autos nämlich einen erheblichen Schaden an, den selbst nach Logik des Ordnungs- bzw. Grünflächenamtes, durchschnittlich begabte Amtsschimmel und -stuten sehen müssten: In der Causa Fritschestraße hat das Amt sogar rund drei bis fünf Kilogramm schwere Feldsteine als Ursache für die Verdichtung des Bodens ausgemacht (was Unsinn ist). Warum dann Kraftfahrzeuge mit heutzutage zwei Tonnen und mehr – also 500 Kilogramm auf jedem Reifen – unbehelligt auf Baumscheiben parken können, möchten die angesprochenen Ämter hier bitte in der Kommentarfunktion erklären.
Die Verdichtung führt dazu, dass die Wurzeln zerquetscht werden und dadurch ihre Funktion verlieren. Regenwasser kann nicht versickern, Mikroorganismen sterben. Am Ende stirbt der Baum. Je nachdem, wie viele Jahre der Baum gepflegt wurde, entsteht dabei ein finanzieller Verlust von vielen Tausend Euro; ganz abgesehen vom ökologischen Verlust für die Menschen, Tiere und die Stadt an sich. Ein neuer Baum kostet erneut Geld für die Anschaffung und braucht mindestens 20 Jahre, um die gleiche Funktion wie der Vorgänger erfüllen zu können.
Hat schon mal jemand gesehen, wie ein Auto von einer Baumscheibe abgeschleppt wird? Nein, natürlich nicht. Denn hier sehen die Beteiligten keinerlei Handlungsbedarf. Der Redaktion ist kein Fall aus den Kantkiezen bekannt, bei dem überhaupt auch nur ein Bußgeld verhängt wurde. Deutschland – Autoland.